Der Wettbewerbsdurchgang 2015 verdeutlichte, wie sehr wesentliche Ideen zukunftsfähiger Dorfgestaltung inzwischen verbreitet sind. Alle 20 Favoriten zeichneten sich durch einen sensiblen Umgang mit Fläche und Anstrengungen zur Leerstandsvermeidung aus. In der Gesamtbetrachtung der Bewerbungen wurde zudem offensichtlich, dass viele Dörfer die ältere Generation in die Mitte holen und einen Lebensabend im Dorf ermöglichen möchten. Auch eine große Offenheit für neue Ideen und ein ausgeprägter Wille zur Bevölkerungsbeteiligung sind weit verbreitet. Erfolgreiche Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit der Stärkung von Gemeinschaft und Kreativät, mit Transparenz, Wertschätzung und Vielfalt.
Nach dem Zusammenschluss als Allianz im Jahr 2008 nutzten die Gemeinden im dünn besiedelten Unterfranken frühzeitig die Stärke ihrer Kooperation, um Maßnahmen gegen Leerstand zu entwickeln. Ziel war dabei, das Bauen oder Sanieren im Bestand günstiger zu machen als einen Neubau an den Ortsrändern. Neben einem kommunalen Förderprogramm für Umbauten und Sanierungen wird neuen Nutzern eine kostenlose Architekten- und Energieberatung angeboten. Zudem gibt es Unterstützungsmöglichkeiten bei Bauschuttentsorgung und Verwaltungsangelegenheiten. Mit einer eigenen Datenbank, die mit der Verwaltungssoftware verknüpft ist, kann die Allianz spezielle Anforderungen von Verkäufern oder Interessenten erfüllen. Die Gebäude werden zusätzlich über verschiedene Internetportale vermarktet. Für die Aktualität der Daten sorgt ein Leerstandslotse in jedem Dorf. Die sieben Gemeinden tauschen sich intensiv und regelmäßig untereinander, aber auch mit Vertretern des Landkreises und der Regionalentwicklung sowie anderen Allianzgemeinden Bayerns aus. Für die Einbindung der Bürger sorgen der quartalsweise erscheinende „Allianzbote“ sowie die eigene Website und der Facebook-Auftritt. Informationsveranstaltungen und Projektwerkstätten erweitern die Partizipationsmöglichkeiten.
Angesichts einer drohenden Schließung der Schule organisierten die Einwohner 2012 eine Versammlung, um Ideen für die Zukunft der Dörfer zu entwickeln. Inzwischen haben sich diese Arbeitsweise und das Miteinander im Dorf derart verselbstständigt, dass unter dem Dachbegriff „Ideenwerkstatt Dorfzukunft“ Zugezogene genauso wie Mitglieder etablierter Vereine Projekte entwickeln oder neue Kooperationen eingehen. Mittels einer „Wirkungskette“ wird die Einordnung von Projektvorschlägen in die Leitziele der Dörfer geprüft. Es wird intensiv Wert auf Transparenz, Kommunikation, Beteiligung und Wertschätzung gelegt. Bei großen Versammlungen kommen professionelle Beteiligungsmethoden wie World-Cafés oder „Küchentischrunden“ zum Einsatz. Zur Immobilienvermittlung wurde beispielsweise eine gemeinwohlorientierte Unternehmergesellschaft unter der Beteiligung von 270 Bürgern gegründet. Sie pflegt nicht nur ein Leerstands- und Baulückenkataster, sondern verbindet auch unbürokratisch Angebot und Nachfrage und vermittelt eine Erstberatung durch einen ortsansässigen Architekten. Mit viel Eigenleistung und finanziert durch Anteilsscheine der Dorfbewohner wurde ein umweltfreundlicher Dorfladen aufgebaut. In den rein ehrenamtlich geführten Betrieb bringen sich insbesondere ältere Dorfbewohner engagiert ein und freuen sich über die neue Aufgabe. Der Laden ist dabei immer auch Ausstellungsraum für Aktivitäten des Dorfes.
Hohenaspe, das kaum noch landwirtschaftlich geprägt ist, plant bewusst den Übergang zu einem von Wohn- und Dienstleistungsfunktionen geprägten Ort. Insbesondere in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden zahlreiche Wohnbaugebiete geschaffen und bäuerliche Anwesen ausgesiedelt. Um die Innenverdichtung zu stärken, gab die Gemeinde Im Jahr 2009 ein Ortsentwicklungskonzept in Auftrag. Neben einer Analyse der Wohn- und Altersstrukturen in räumlichen Teileinheiten wurden hier ein Baulückenkataster erarbeitet und das weitere Wohnbauflächenpotenzial ermittelt. Junge Familien und Zuzugswillige werden durch intensive Gespräche von der Nachnutzung bestehender Gebäude im Ort überzeugt, so dass es zurzeit keinen Leerstand gibt. 2007 finanzierte die Gemeinde aus eigenen Mitteln den Bau eines Senioren- und Dienstleistungszentrums im Kern. Entgegen anfänglichen Vorbehalten gibt es inzwischen eine Warteliste für freiwerdende Wohnungen und das Objekt schreibt schwarze Zahlen. Nahebei liegen das Bürgerhaus, in dem alle Vereine, aber auch die Bibliothek und die Nachmittagsbetreuung der Schulkinder Raum finden sowie eine barrierefreie Versammlungsstätte.
Klietznick hat seine Chancen zur Dorferneuerung nach der Wende direkt genutzt. Damals prägten viele verfallende Häuser den Ort, dessen Straßen bei Regen aufweichten. Bäume gab es kaum, nachdem an der Hauptstraße zahlreiche Obstbäume gefällt worden waren. Um Förderungen auch für Gemeinschaftsanlagen nutzen zu können, wurde 1991 der Verschönerungsverein Klietznick e.V. gegründet. Er hat inzwischen etwa so viele Mitglieder, wie es volljährige Einwohner im Dorf gibt. Gemeinschaft wird in Klietznick großgeschrieben. Etwa einmal im Monat gibt es eine Aktion für alle Dorfbewohner, beispielsweise die Pflege oder Lese des dorfeigenen Weinbergs. Auch zahlreiche Bäume wurden im Dorf sowie im Übergang zur Landschaft gepflanzt, um den einstigen Kahlschlag gleichsam wiedergutzumachen. Besonders aktiv wurde der Verschönerungsverein im Dorfzentrum, wo ein ehemaliges Gehöft zum Gemeinschaftshaus mit angegliedertem Dorfladen umgebaut wurde. Plätze und Wege rundum sind mit vielfältigen Grün-, Spiel- und Ruheelementen versehen. Der Einfallsreichtum Einzelner bei der Gestaltung wird von der Gemeinschaft gerne aufgegriffen und unterstützt. Die ausgeprägte Identität mit dem Dorf und das hohe Maß gemeinschaftlichen Erlebens führte zu einem starken Bewusstsein der Klietznicker für den Wert von Innenentwicklung. Es gibt kein Neubaugebiet im Ort; stattdessen werden Altgebäude genutzt oder Lücken bebaut. In der eigentlich von Abwanderung geprägten Region stehen die Häuser dieses Dorfes höchstens für kurze Zeit leer.
Der nachhaltige Umgang mit Fläche wird in Schleching schon seit mehr als 20 Jahren im interkommunalen Verbund des Ökomodells Achental gepflegt, unter anderem in der Absprache von Gewerbe- und Naturschutzflächenausweisungen. Schleching selbst hat eine Flächenmanagementdatenbank erstellt, die Leerstände und Leerstandsrisiken visualisiert, und zusätzlich eine Sozialraumanalyse durchgeführt. Mit Mitteln der Dorferneuerung bezuschusst die Gemeinde Angleichungsmaßnahmen an den bäuerlichen Architekturstil und hat ihre Gestaltungssatzung dafür in Form einer Baufibel mit vorbildlichen Beispielen anschaulich gemacht. Dank einer besonders guten Zusammenarbeit mit dem zuständigen Amt für ländliche Entwicklung gelang zudem die Gestaltung einer lebendigen Ortsmitte, in der nicht nur Rathaus, Touristeninformation und eine Fachstelle für soziale Fragen angesiedelt sind, sondern auch Grundschule und Kindergarten – letzterer in einem denkmalgeschützten Bauernhaus. Durch die Auflösung einer früheren Straße wurde ein runder Platz geformt, der mit Überdachungen, einem Pavillon und einer Hütte sowie verschiedenen Sitzgelegenheiten zum alltäglichen Aufenthalt einlädt. Seit 2014 gibt es einen Dorfladen in Schleching, der von einer Genossenschaft getragen wird und viele regionale Produkte im Angebot hat. Über dem Dorfladen wird demnächst eine Senioren-WG einziehen, die vom Verein „Soziales Netzwerk Schleching“ organisiert wird. Das hohe Engagement der Bewohner wird im Ort durch eine intensive Anerkennungskultur explizit gewürdigt. Zudem werden alle Maßnahmen bei Bürgerversammlungen transparent dargestellt.
Wettbewerbs-Broschüren als pdf zum Download per Mausklick auf das jeweilige Bild
(gedruckte Exemplare können kostenlos bei der Agrarsozialen Gesellschaft bestellt werden.)
Die 2013 und 2015 durchgeführten Wettbewerbe wurden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie der Landwirtschaftlichen Rentenbank gefördert.