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Online-Konsultation zum Thema „Welche Landwirtschaft wollen wir?“ |
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Stellungnahmen
1. Wie beurteilen Sie die Kontroverse um bäuerliche und industrielle Landwirtschaft in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen seit der Wiedervereinigung im Jahre 1989?
Die industrielle Landwirtschaft oder die industriemäßige Agrarproduktion beschreibt eine Arbeitsverfassung und Produktionsform, die ihre stärkste Ausprägung in der ehemaligen DDR hatte. Die Grundsätze lassen sich aber auch auf die heutige Zeit übertragen. So ist nach DDR Definition die industriemäßige Agrarproduktion gekennzeichnet durch (Quelle: Eckhard Mothes, Tiere am Fließband, Leipzig, 1976)
1. den Ersatz der Handarbeit durch Maschinensysteme und Anlage
2. die planmäßige Konzentration und Spezialisierung der landwirtschaftlichen Produktionen in großen Produktionseinheiten
3. die Herstellung großer Partien landwirtschaftlicher Produkte bei gleicher Qualität und hoher Sicherheit in einem bestimmten Zeitraum
4. Stufenproduktion und Verflechtung der einzelnen Produktionsstufen in Kooperationen
5. Ständige Anwendung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse
6. Die Verlagerung bestimmten Arbeiten und Nebenleistungen aus dem unmittelbaren Landwirtschaftlichen Produktionsprozess auf selbständige spezialisierte Produktionseinheiten
Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1989 sind diese Grundsätze stärker in die gesamtdeutsche Agrarpolitik übernommen worden.
Mit dem Begrifft bäuerliche Landwirtschaft wird eine Arbeitsverfassung und Wirtschaftsweise und Lebensweise beschrieben, die in der Regel auf die Betriebsleiterfamilie und deren Mitarbeiter beruht. Die bäuerliche Landwirtschaft ist seit der Bauernbefreiung im 19. Jahrhundert die vorherrschende Organisationsform der Landwirtschaft. Wissenschaftlich beschrieben wurde sie von Alexander Tschajanow, in seinem Werk „Die Lehre von der bäuerlichen Wirtschaft „(Berlin 1928). Sie ist gekennzeichnet durch:
- selbstständiges Handeln und Entscheiden des Unternehmers
- bodengebundene Produktion
- innerbetriebliche Kreisläufe
- Generationsverpflichtung und damit der sorgsame Umgang mit Boden, Tieren und Mitarbeitern
- Keine kurzfristige Gewinnmaximierung
Die Übergänge zwischen bäuerlicher und industrieller Produktion sind fließend. So kann sich aus einem bäuerlichen Betrieb ein industrieller entwickeln. Zur zahlenmäßigen Abgrenzung der Stallgrößen sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Entscheidend ist nicht die Größe, sondern die Art und Weise der Bewirtschaftung. Bäuerliche Landwirtschaft basiert auf eine breite Eigentumsstreuung.
Industrielle Landwirtschaft basiert auf eine einzelbetriebliche Kostenminimierung, die zu gesellschaftlichen Folgeschäden führt. Bäuerliche Landwirtschaft erzeugt gesamtgesellschaftliche positive Effekte, die durch die Produktpreise nicht immer honoriert werden. Der BUND bevorzugt eine bäuerliche Landwirtschaft.
2. Welche Landwirtschaft wollen Sie? Brauchen wir ein neues Leitbild?
Das Leitbild des BUND für eine zukunftsfähige, nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft ist eine Landwirtschaft, die für die gesamte Produktkette folgende Ziele umfasst:
1. Gesunde Lebensmittel in ausreichender Menge produziert ohne gentechnische Manipulationen.
2. Die Biodiversität fördert und sich in eine Agrarlandschaft einpasst,
3. Den landwirtschaftlichen Nutztieren Lebensbedingungen ermöglicht, die ihren physiologischen Bedürfnissen und humanitären Grundsätzen gerecht werden.
4. Soviel wie möglich im geschlossenen System arbeitet und auf lokale regenerierbare Ressourcen zurückgreift .
5. Den Einsatz fossiler Energie in der landwirtschaftlichen Praxis auf ein Minimum reduziert.
6. Erneuerbare Energien bereitstellt,
7. Boden, Gewässer-, und Grundwasserschutz betreibt,
8. Umweltverschmutzung vermeidet,
9. Klimaschutz betreibt,
10. Den Bauern und Bäuerinnen ermöglicht, in der Generationsfolge, selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihren Lebensunterhalt durch ihre Arbeit zu erwirtschaften und ihre Fähigkeiten als menschliche Wesen zu entwickeln.
11. Einen Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume und Landeskultur leistet.
Durch eine industriemäßige Agrarproduktion lassen sich diese Ziele nicht erreichen. Die politische Auseinandersetzung wird darum zukünftig in der Entwicklung der Landwirtschaft in Richtung einer industrialisierten Form oder in einer bäuerlich, ökologischen Form liegen.
Der Ökologische Landbau kommt der Verwirklichung dieser Ziele sehr nahe. Aber auch andere Landnutzungsformen können diesen Anspruch erfüllen. Im Ökolandbau gibt es Trends zu immer mehr Spezialisierung, Intensivierung, Ökonomisierung und industriemäßiger Produktion, die kritisch hinterfragt werden müssen.
Agrarsprecher Jochen Dettmer, BUND e.V., Belsdorf
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