Agrarsoziale Gesellschaft e.V.

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Online-Konsultation zum Thema „Welche Landwirtschaft wollen wir?“


Stellungnahmen



1. Wie beurteilen Sie die Kontroverse um bäuerliche und industrielle Landwirtschaft in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen seit der Wiedervereinigung im Jahre 1989?

Die Aussage „Wachsen oder Weichen“ ist aktueller denn je und Ausdruck für den rasanten Strukturwandel den die Landwirtschaft in Deutschland derzeit erlebt und weiter erleben wird. Der Weg von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft ist gleitend. In den Mittelgebirgslagen findet er langsamer und in den Gunstregionen schneller statt. Die Strukturen der be- und verarbeitenden Betriebe landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Schlachthöfe, Molkereien, Mühlen, Biogasanlagen..) und auch der zunehmende Einsatz von Fremdarbeitskräften in den landwirtschaftlichen Betrieben zeigen den Weg.

Die Wiedervereinigung mit Perspektive für viele westdeutsche Landwirte hat diese Entwicklungen mit beschleunigt.

Die ungesunde Verteilung von Grund und Boden ist mit dem Grundstücksverkehrsgesetz in seiner derzeitigen Fassung in den neuen Bundesländern nicht aufzuhalten. Wie will man die Dringlichkeit, sprich die Notwendigkeit des Erwerbs eines Grundstücks zur Fortführung des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes dokumentieren? Und verfügen die „bäuerlichen“ landwirtschaftlichen Betriebe über ausreichende Geldmittel um größere Grundstücke kaufen zu können?




2. Welche Landwirtschaft wollen Sie? Brauchen wir ein neues Leitbild?

Bei der Frage nach der Landwirtschaft der Zukunft klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Die heimische Landwirtschaft kann sich dem globalen Wettbewerb nicht entziehen. Aber ein nicht zukunftsfähiger Milchviehbetrieb mit 30 Kühen im Boxenlaufstall und sommerlichem Weidegang lässt sich immer noch sehr gut in der Öffentlichkeitsarbeit des Berufstandes, in grüner Parteipolitik und in der Werbung der Lebensmittelindustrie einsetzen.

Wenn nun Klimaschutz und Ressourcenknappheit die neuen tragenden Säulen der Agrar- und Umweltpolitik sind, dann müsste die konsequente Nutzung aller brachliegenden Flächen, einschließlich des zu erwartenden Greenings, im Vordergrund stehen.

Durch den Strukturwandel in der Milchviehhaltung nimmt die Grünlandbrache, vor allen Dingen in den Mittelgebirgslagen Südwestdeutschlands stetig zu. Viele Wiesen können, begingt durch die Größe der Erntemaschinen, gar nicht mehr oder nur noch bis an die Baumreihen heran gemäht werden (siehe Bild). Der Rest dieser Flächen bleibt sich selbst überlassen, wächst mit der Zeit zu und verliert somit auch seine Bedeutung für Freizeit und Erholung. Außerdem gehen hier wertvolle Ressourcen verloren. Denn Pflanzen aller Art sind nun einmal in der Lage klimaschädliches Kohlendioxid zu binden und in den Nahrungsmittel- bzw. Energiekreislauf einzubringen. Der hier im Sommerhalbjahr in Gräsern, Hölzern und Früchten eingelagerte Kohlenstoff wird doch beim Verrotten im Winter wieder als schädliches Klimagas in die Atmosphäre abgegeben.

In der Diskussion um ein Leitbild stellt sich für mich immer wieder eine zentrale Frage: Wie geht es mit meinem Betrieb weiter? Bildet er für mich und vielleicht auch für die nächste Generation eine ausreichende Lebensgrundlage, oder läuft der Betrieb aus?

Die ständige Beobachtung der Märkte sowie die Pflege und der Umgang mit den Abnehmern unserer Erzeugnisse und Dienstleistungen wird aus diesen Gründen immer wichtiger. Die Verarbeiter und Konsumenten der von uns erzeugten Nahrungsmittel und die Politiker, als Vertreter der Gesellschaft zur Entgegennahme und Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen (Offenhaltung der Kulturlandschaft, Bereitstellung von Energie,..), werden dann die wichtigsten Personen für unsere landwirtschaftlichen Unternehmen sein.

Das Leitbild kann nicht isoliert vom Marktgeschehen her betrachtet werden, denn der Lebensmittelhandel und das Internet haben die Verbraucher über längere Zeit hin auf Discount und Preisnachlass vorbereitet. Der Preis diktiert oft die Kaufentscheidung.

Ein tragfähiges Leitbild darf in meinen Augen nur ganz vorsichtig formuliert und als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden werden. Es kann keine absoluten Gewinn- oder Betriebsgrößen vorgeben. Es muss aber Denkanstöße in Form von Fragen geben, die die persönliche, betriebliche und familiäre Situation des Betriebsleiters, den Standort des Betriebes, die Art der Erzeugnisse (Energie, Nahrungsmittel, Dienstleistungen,..) und den Marktzugang der Erzeugnisse betreffen. Ein Leitbild muss die Verantwortung des Einzelnen für sein eigenes Unternehmen in den Vordergrund stellen.




Wolfgang Behrendt, Hünenfeld



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